Römisch-katholische Kirche

Vom Neokatechumenat zur Orthodoxie

Die Suche nach der Wahrheit, oder das Erlangen des wahren Glaubens
– ein Interview von Ljudmila Bolotnowa, Moskau, im Jahr 2010

Höre, Tochter, sieh und neige dein Ohr; vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters! Nach deiner Schönheit verlangt der König; Er ist dein Herr, du neige dich ihm!  (Ps 44 (45), 11-12)

Am Sonntag des Triumphes der Orthodoxie, 2006, hat der Rektor der Moskauer Theologischen Akademie und des Priesterseminars, Erzbischof Jewgenij von Wereja (heute Metropolit von Tallinn), den Studenten des dritten Seminar-Kurses Thomas Diez zum Diakon geweiht. Auf die Bitte des Russisch-orthodoxen Erzbischofs von Berlin und Deutschland, Mark, hatte seine Heiligkeit Alexej II., der Patriarch von Moskau und ganz Russland ihm den Segen für sein Studium im Priesterseminar gegeben. Er war der erste Diakon, der für die Russische Auslandskirche im Moskauer Patriarchat ordiniert wurde. Nun dient Priester Thomas Diez in Moskau, in der Kirche des Allbarmherzigen Erlösers des ehemaligen Skorbjaschtschenskij-Klosters. Er ist auch Redakteur der deutschen Webseite des Projekts „Nicht ausgedachte Erzählungen über den Krieg“. Vater Thomas und seine Frau Joanna haben drei Töchter.

Was war der Grund für die Suche nach einer neuen Religion, eines neuen Glaubens? Was war der Auslöser dafür, eine solche Entscheidung zu treffen? Menschen, Ereignisse? Sind Sie in einer religiösen Familie aufgewachsen?

Ich wurde 1963 in einer deutschen lutherischen Familie geboren, mein Vater lehrte mich die Grundlagen des Glaubens. Er war ein gläubiger Mensch, ein Lutheraner. Ich war von klein auf religiös und bezeugte meinen Glauben gegenüber meinen Mitschülern. Meine Pubertät war für mich eine ernste Erschütterung, ich erlebte diese Jahre als sehr schwer. Die Schule mit ihrer Zielsetzung, den Jugendlichen Konkurrenzdenken und das Streben nach Karriere einzupflanzen, hatte auf mich eine abstoßende Wirkung. Gleichzeitig war sie nicht in der Lage, Antworten auf die Fragen nach dem Sinn des Lebens zu geben.

Wie die meisten Menschen in unserem Land habe ich meinen kindlichen Glauben im Alter von 15, 16 Jahren verloren. Nach dem Abschluss des Gymnasiums hörte ich eine Glaubensverkündigung in einer katholischen Pfarrgemeinde eines Münchner Vororts. Es waren die Katechesen des „Neokatechumenalen Wegs“, einer der so genannten geistlichen Bewegungen der röm.-katholischen Kirche. In kleinen Gemeinschaften las man das Wort Gottes und empfing die Sakramente der Buße und der Eucharistie. Und hier, in dieser Bewegung, fand ich eine gewisse Stütze in meiner Einsamkeit und religiösen Suche.

Mit anderen Worten: Die Suche ging weiter.

Im Jahr 1985 begann ich mein Studium an der Fakultät für Architektur in München. Zusätzlich vertiefte ich mich mit großer Begeisterung in das Glaubensleben der katholischen Kirche. Ich wurde Katechist, nahm an vielen Treffen in Italien im Herz oben genannter Bewegung teil, und konvertierte zum röm.-katholischen Glauben.

Das Jahr 1988 war sehr wichtig für meinen weiteren Lebensweg. Ich hatte damals Gelegenheit, eine Erfahrung in der missionarischen Tätigkeit des Neokatechumenalen Wegs in West-Berlin zu machen. Es war das letzte Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer. Genauer gesagt begleitete ich einen italienischen Priester und vier kinderreiche Familien aus München und Wien. Wir waren vom katholischen Kardinal Berlins (Meisner) eingeladen worden, um in dieser Stadt dauerhaft zu evangelisieren. Die Erfahrung des gemeinsamen Betens und Arbeitens, der Verkündigung des Evangeliums und die Teilnahme am Leben dieser Familien, aber auch die erste Bekanntschaft mit der Orthodoxie in ihrem russischen „Gewand“ stellten für mich eine Wende dar, die all meine Erwartungen ans Leben verändert hat. In diesem Jahr schlugen die Wellen der Tausendjahrfeier der Taufe der Rus‘ (988) bis nach Deutschland; man konnte in der kirchlichen Presse viel zu diesem Thema lesen. Beeindruckt vom Zeugnis der russischen Neumärtyrer in Sowjetrussland fing ich an, Russisch zu lernen, (wie haben wir gelacht, als wir das Wort „prjepodawátjelnitsa“ – russ. „Lehrerin“ – zum ersten Mal auf einem Kassettenrekorder hörten!).  Die Chancen, diese Sprache wirklich erlernen könnte, erschienen mir gering. Aber ich habe nicht aufgegeben und der russische Wortklang wurde für mich schon bald zum Inbegriff der Schönheit von Sprache an sich. Ich bin sehr angetan von der kirchenslawischen Sprache. Sie ist wie eine Glocke, wie eine mächtige Glocke, die den Reichtum des Wortes durch ihren Wohlklang weiterträgt…

Seit diesem Jahr brannte in mir der Wunsch, Missionar der katholischen Kirche in Russland zu werden. Ich kehrte in meine Heimatstadt München zurück um meine Ausbildung fortzusetzen. Ich wollte so gerne eine Familie gründen, aber Gott hatte andere Pläne. Er bereitete mich allmählich für die Annahme der heiligen Orthodoxie vor.

Ich erinnere mich, wie mir die Tränen kamen, als ich im Radio den Gesang „Ich bete an die Macht der Liebe“ von Bortnjanskij hörte („Gott ist herrlich in Zion“ – die geistliche Nationalhymne im Russland der Zarenzeit, Anm. der Redaktion). Und mir geht es bis heute so, wenn die geistlichen Lieder unserer Kirche aus ganzer Seele gesungen werden. Im Westen, in den katholischen Kirchen, beginnt man, von der Orgel begleitete Kirchenlieder durch Gesang und Gitarre zu ersetzen. Diese Versuche sind teilweise gerechtfertigt, denn die Lieder des traditionellen Katholizismus sind nicht mehr in der Lage, im Menschen die Umkehr hervorzurufen. Doch etwas anderes sind die gewachsenen musikalischen Traditionen der Orthodoxie. Ihre Tiefe lässt sich mit den Liedern, die jetzt im Katholizismus oder in den anderen nicht-orthodoxen christlichen Gemeinschaften verbreitet sind, nicht vergleichen.

Haben Sie viel über die Orthodoxie gelesen? Wie war dieses Eindringen in die Welt einer ganz anderen Kultur und Religion?

Was auch immer ich in deutscher Sprache über die Orthodoxie finden konnte, habe ich mir angeeignet. Besonders gewirkt haben auf mich die Biographie des heiligen Johannes von Kronstadt und seine Tagebuchaufzeichnungen „Mein Leben in Christus“, aber auch die „Aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers“. Trotzdem war da aber auch die Sorge gegenwärtig, der Orthodoxie zu nahe zu kommen. Ich fürchtete um meinen katholischen Glauben und betete zur Gottesmutter darum, ihn nicht zu verlieren. Deswegen lehnte ich ab, als ich man mich einmal zu einer russischen Osternacht in München einlud. Im Jahr 1990/91 wurde ich wieder auf eine Mission des Neokatechumenats geschickt, dieses Mal nach Ungarn. Dort wurde der Grund für die innere Berufung zum Priestertum gelegt, und nachdem ich mein Architekturstudium abgeschlossen hatte, trat ich in das internationale katholische Priesterseminar („Redemptoris mater“) von Berlin ein.

Interessant, der Weg aus einer anderen Religion, aus Deutschland, in die Orthodoxie. Und dabei nicht nur, um den Glauben anzunehmen, sondern Priester zu werden, die Weihe zu empfangen.

Da liefen zwei Prozesse parallel ab. Einer war mein Engagement in der katholischen Gemeinschaft, seit ich 19 Jahre alt war, ein anderer mein allmählich wachsendes Interesse an der Orthodoxie, das erst fünf Jahre später begann. Ich las alles, was man finden konnte, was damals in deutscher Sprache erhältlich war. Es gibt Schriften der russischen Kirchenväter auf Deutsch, außerdem ihre Biographien und auch Einführungen in das Jesusgebet.

Als ich am katholischen Priesterseminar studierte, von 1992 bis 1998, spürte ich recht bald, dass sich diese beiden Lebenssphären nicht unter einen Hut bringen lassen. Das katholische Seminar setzte stark auf das gemeinschaftliche Leben und auf den Verzicht des Einzelnen auf seine persönlichen Interessen und Vorlieben. Und mir wurde klar: Wenn ich katholischer Priester sein will, werde ich früher oder später meinen Hang zur Orthodoxie aufgeben müssen. Aber will ich das? Worin besteht der Wille Gottes? Ich beschloss, mich selbst zu prüfen, indem ich mich von allem lossagte, was mit Russland, mit der Orthodoxie zu tun hatte, von meiner ganzen Bibliothek. Von diesem Tag an vergingen dreieinhalb Jahre, und der Herr gab mir eine klare Antwort, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Aber zu dieser Zeit war ich bereits in Rom…

Und wie viele Jahre haben Sie in Rom studiert?

Ein Jahr für das Bakkalaureat in Theologie. Der Wunsch, Priester zu werden, war erloschen, und es stellte sich heraus, dass der Weg des Zölibats nichts für mich war. Es war offen zutage getreten, dass ich den eingeschlagenen Weg verlassen musste, nachdem ich getan hatte, was ich konnte. Zurückgekehrt in meine Heimatstadt München, fand ich Gott sei Dank eine Anstellung, die mir erlaubte, meine berufliche Tätigkeit als Architekt wieder aufzunehmen. Ich legte alle Selbsteinschränkungen ab, fing an, die Gottesdienste in der Kathedrale der russischen Auslandskirche zu besuchen und beschäftige mich nebenbei mit orthodoxer Theologie.

Die Ekklesiologie der Orthodoxen Kirche wurde für mich, dessen theologisches Denken damals noch überwiegend katholisch geprägt war, zum Prüfstein. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass sich die Auslandskirche schon immer gegen jegliche ökumenische Annäherung verwahrt hat. Ich war nicht nur mit dem Standpunkt konfrontiert, dass die katholische Kirche historisch gesehen von der Orthodoxie abgefallen ist, – das sagen auch die Griechen. Durch die Russische Auslandskirche erfuhr ich auch von der Wertung, dass die römischen Abweichungen in der Glaubenslehre als Häresien zu bezeichnen sind. Das war das erste Mal, dass ich so etwas gehört habe.

Wissen die Katholiken nichts davon?

Sie sind Anhänger der Theorie der Zweige, die bei uns auf dem Bischofskonzil im Jahr 2000 verurteilt wurde. Nach katholischem Selbstverständnis gibt es keine wesentlichen Glaubensunterschiede zwischen Orthodoxen und Katholiken, beide sind Zweige aus einem Stamm. Wie kann man denken, dass der katholische Glaube unvollkommen ist, wenn ihn eine Milliarde Menschen bekennt? Anfangs zweifelte ich: Sind diese „Auslandsrussen“ keine Fanatiker? Doch dann überzeugte ich mich davon, dass alle orthodoxen Teilkirchen dasselbe lehren, nur treten die einen mehr, die anderen weniger diplomatisch auf. Dank der Kompromisslosigkeit der Auslandskirche gegenüber den westlichen christlichen Bekenntnissen haben sich mir die Türen zur heiligen Orthodoxie geöffnet, wofür ich sehr dankbar bin.

War das ein schwieriger Prozess?

Da ist eine Festung ins Wanken geraten: dass die Kirche vom Papst geleitet wird, und dass sie die heilige Überlieferung unfehlbar bewahrt und weitergibt. Das ist damals für mich zusammengebrochen.

Dieses Bewusstsein ist zusammengebrochen.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt, den ich erwähnen muss. Im Katholizismus gibt es starke Sympathien für die Orthodoxe Kirche. Der damalige Papst Johannes Paul II. beispielsweise hat Manches zur Orthodoxie geschrieben, darunter eine Betrachtung über ihr Mönchtum (Apostolisches Schreiben Orientale lumen, 1995). Er sprach davon, dass große Anstrengungen zu unternehmen sind, um die verlorene Einheit mit den orthodoxen Kirchen wiederzugewinnen (Enzyklika Ut unum sint, 1995). In der Tat, die Katholiken haben die Einheit der Kirche verloren. Selbst Kardinal Walter Kasper, der Leiter der Kongregation für die Einheit der Kirche in Rom, hat zugegeben, dass die Westkirche nach der Trennung von der Orthodoxie (nach westlicher Diktion: von der Ostkirche) im großen Schisma von 1054 für Jahrhunderte in eine tiefe geistliche Krise gestürzt ist, die schließlich die Reformation hervorgerufen hat.

Das räumt sogar Kasper ein.

Ja. Die Frage nach der Einheit der Kirche ist mir sehr wichtig geworden. Man könnte sagen, Gott legte sie in mein Herz. Und ich fand die Antwort auf der Suche nach der Einheit der Kirche in der Orthodoxie und ihrer Lehre. Als ich sah, dass die Orthodoxie nicht von der heiligen Tradition abgewichen war, sondern sie treu und ganzheitlich bewahrt hatte, ging ich auf die andere Seite über. Es schien mir recht spät für einen solchen Schritt – ich war damals 36 Jahre alt – und außerdem war er ein großes Risiko, denn mein ganzer Bekanntenkreis, das ganze Umfeld des Neokatechumenats, alle waren Katholiken. Und ich wusste, dass damit unsere Beziehungen, ob man das will oder nicht, zu Ende gehen würden. So ist es auch gekommen. []

Ist für Sie die Frage des orthodox-katholischen Dialogs aktuell?

Sie ist sehr aktuell. Ein wichtiges Thema in unseren gegenseitigen Beziehungen bleibt der päpstliche Primat. Wir haben uns daran gewöhnt, die Frage des Primats, des Vorranges Petri und seines Amtes als eine isolierte, unabhängige Größe zu betrachten, als ob es nur um administrative und juridische Fragen ginge. Aber sie betrifft auch das geistliche Leben des Einzelnen in der katholischen Kirche. Wie kann man sich das begreiflich machen? Der Papst von Rom beansprucht Unfehlbarkeit, was für uns Orthodoxe eine Verzerrung der Heiligen Tradition ist. Das ist für die Orthodoxie inakzeptabel, kein Mensch ist unfehlbar. Einem Menschen, der unfehlbar ist, und sei es auch nur in Fragen der Glaubenslehre und der Moral, schuldet man unabdingbaren Gehorsam: In die deutsche Sprache ist das als „Kadaver-Gehorsam“ eingegangen. Diese für Katholiken typische Forderung nach Gehorsam durchzieht alle Ebenen der Hierarchie. Und so kommt es, dass auch unter zwei einfachen Gläubigen der Anspruch gestellt werden kann: Du musst mir gehorsam sein.

Was ist Gehorsam und worin liegt die christliche Freiheit, die Gewissensfreiheit vor Gott? In der orthodoxen Kirche gibt es eine ungeheure Freiheit und Verantwortlichkeit des Einzelnen. Ein geistlicher Vater, der seine Kinder im geistlichen Leben führt und unterweist, sucht gewissermaßen gemeinsam mit ihnen den Willen Gottes, er wächst gleichzeitig mit seinen geistlichen Kindern. Während er seine Herde im geistlichen Leben führt, sucht er mit ihr nach dem Willen Gottes. Als geistlicher Vater rechnet er damit, dass sich im Willen seiner geistlichen Kinder möglicherweise die Stimme Gottes offenbart. Im Gegensatz zur Theologie der westlichen Väter, die unter dem Einfluss des seligen Augustinus von der grundsätzlichen Verderbtheit des Willens ausgehen, beurteilen die griechischen Kirchenväter (Gregor von Nyssa, Basilius der Große) den menschlichen Willen viel positiver. Einen Widerhall dessen finden wir im Gebet des heiligen Simeon des Neuen Theologen: „Gib mir Kühnheit, das zu sprechen, was ich will, mein Christus! Vor allem aber lehre mich, was mir zu sagen und zu tun gebührt“ (Gebetsregel zum Empfang der heiligen Gaben, 6. Gebet). In diesem tiefen Respekt vor der Freiheit und dem Willen des Menschen als Voraussetzungen für den christlichen Gehorsam sehe ich einen wesentlichen Unterschied zu seinem Verständnis nach katholischem Glauben. Für ihn sind die Widerspruchslosigkeit und Unabdingbarkeit charakteristisch, und uns ist dieser Geist fremd.

Und wie ist dann dieses bekannte Gleichnis zu verstehen? Ein Altvater befahl seinem Schüler, er solle eine Rübe pflanzen, mit den Wurzeln nach oben. Der Schüler dachte sich dabei: Der Altvater hat etwas durcheinander gebracht, und pflanzte die Rüben nach oben. Die Rübe wuchs natürlich. Darauf sprach der Schüler zum Altvater: „Siehst du, die Rübe ist gewachsen, weil ich nicht auf dich gehört habe“. Der aber antwortete: „Andernfalls wäre dafür dein Gehorsam gewachsen“.

Der Gehorsam ist notwendig. Worin liegt der Unterschied? Gehorsam bedeutet, dass es mitunter Dinge zu tun gibt, die ich nicht verstehe. Und als ergebener Schüler muss ich sie nicht augenblicklich verstehen. Ich kann darauf vertrauen, dass Gott den geistlichen Vater führt und im Gehorsam das tun, was er sagt, auch wenn ich es noch nicht verstehe. Das ist das orthodoxe Verständnis. Bis dahin sind wir noch eins. Wo wir mit den Katholiken auseinandergehen, ist der Moment, an dem sie Einen für das Nicht-Erweisen des Gehorsams ausschließen – sei es aus einer konkreten Gemeinschaft, sei es aus ihrer Kirche überhaupt. In der Praxis der geistlichen Führung in er Orthodoxie gilt ein ganz anderes Prinzip: Erscheint es dem Einzelnen unmöglich, dem Rat seines geistlichen Vaters zu folgen, so folgt er seinem eigenen Gewissen. Er übernimmt die Verantwortung für seine Entscheidung und verbleibt in der Kirche, er bleibt Kind seines geistlichen Vaters.

Gibt es einen Bedarf, mit den Katholiken einen Dialog zu führen?

Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man mit ihnen Kontakte pflegt, und dabei nicht vergessen, dass ihre Lehre der Kirche große Steine des Stolzes verbirgt, die nicht einfach zu zertrümmern sind. Hier bedarf es der Flexibilität und der Weisheit: nicht nur; um die eigenen Positionen nicht aufzugeben, sondern auch, um gegen den Hochmut der kath. Ekklesiologie gewappnet zu sein, auf der die Lehre des Primat gründet. Wir sind auch gehalten, für die Einheit zu beten, damit diejenigen, die die Einheit mit der Orthodoxie verloren haben, in den Schoß der Kirche zurückkehren. Gott hat die Macht, das Schritt für Schritt zu verwirklichen. Deshalb sind Kontakte und Dialoge mit Katholiken sinnvoll, solange sie auf dem Boden der Wahrheit stattfinden. Desweiteren muss man in der Lage sein, zwischen Fragen vorrangiger und untergeordneter Bedeutung zu unterscheiden. Es ist unerlässlich, dass sich katholische Theologen verstärkt mit der orthodoxen Theologie bekannt machen, die – und das ist bemerkenswert – im Grundstudium nirgends in den Lehrplänen der katholischen theologischen Fakultäten enthalten ist. Einem durchschnittlichen katholischen Priester ist die Orthodoxie und ihre Lehre gänzlich unbekannt. In den Studiengängen der Russisch-Orthodoxen kirchlichen Hochschulen hingegen wird jeder Theologiestudent im Lauf eines Studienjahres mit den Grundzügen der katholischen Glaubenslehre vertraut gemacht, und im darauffolgenden Jahr mit der protestantischen Theologie.

Wenn die katholische Kirche fortfährt, auf der Suche nach einer möglichen Einigung an unsere Türen zu klopfen, sollten wir ihnen vorschlagen: Führen Sie in der theologischen Ausbildung der künftigen katholischen Priesters zuerst einmal das Fach ‚Grundlagen der orthodoxen Theologie‘ ein. []

Und wenn wir die Theologie ein wenig beiseite lassen, wie ist Ihre Familie entstanden? Wie haben Sie sich kennengelernt? Die wunderbare Familie eines Priesters, und noch dazu in Russland? Russland wollen doch viele verlassen.

Meine Frau ist aus Bialystok, aus Ostpolen, sie stammt aus einer orthodoxen Familie. Sie kam ebenfalls zum Studium nach Sergiew Posad mit dem Segen von Erzbischof Jakub von Bialystok und Danzig. Und dort haben wir uns im Chor kennengelernt. Anfangs war es schwierig, weil ich in Russland bleiben wollte und sie nach Polen zurückkehren. Wir beginnen zu verstehen, wie Gott unsere Geschichte geführt hat. Freunde und Freundinnen kamen hinzu, die Kinder wurden geboren. Im Laufe der Zeit wurde das Leben in Russland einfacher dank der Gemeinde, die uns sehr unterstützt. In der Gemeinde befinden wir uns wie im Schoß einer großen Familie. []

Kirche des heiligen Apostels Thomas

Kirche des heiligen Apostels Thomas